Donnerstag, 29. November 2012

Die letzten 100 Tage


In der Politik werden neue Regierungen nach den ersten 100 Tagen  bewertet. Bei uns laufen seit heute die letzten 100 Tage in Neuseeland. Zeit für eine Bewertung - oder zumindest einen Rückblick.

Es war klasse, hiergewesen zu sein, ist es eigentlich immer noch. Ich sehe viel Sachen jetzt schon durch die "Unser letztes Mal"-Brille, zum Teil mit Wehmut, manches aber auch durchaus positiv.

Unsere letzte Kiwi-Weihnacht steht vor der Tür (Wolle mer se reilasse?), die fünfte insgesamt. Nicht, dass ich mich auch nur im entferntesten daran gewöhnt hätte, dass hier Strand, Flip-Flops & Barbaque zu Weihnachten dazugehören, muss ich doch sagen, dass mir generell die Weihnachtstimmung hier viel besser gefällt. In D hat Weihnachten auch immer etwas Schwermütiges, was zu einem gewissen Teil sicher auch der Jahreszeit geschuldet ist (kürzester Tag grad rum, meistens schlechtes Wetter, kalt, dunkel...) Hier geht man halt an den Strand, genießt den Sommer, freut sich, dass die Sonne scheint.

Wir werden auch bald unseren letzten Jahreswechsel hier erleben, mit einem zentralen Feuerwerk über dem Waitemata Harbour, ohne den in D allgemein üblichen Böller-Wahnsinn des privaten Feuerwerks. Was man mit dem vielen Geld, was da verpulvert wird alles sinnvolles machen könnte - ich mag garnicht drüber nachdenken...

Aber, ich schweife ab. Ich wollte eigentlich rückblickend bewerten. Neulich hatte ich eine Unterhaltung mit einer Zahnarzthelferin - während ich drauf gewartet habe, dass die Wirkung der Spritze einsetzt - über die Unterschiede zwischen hier und D und sie fand es sehr merkwürdig, dass ich bald wieder überall (Zahnarzt, Bank, Amt, Vorstellungsgespräch...) 'Herr Neubauer' sein werde - und nicht mehr 'Thomas'... Ich kann mich garnicht daran erinnern, wann ich zum letzten mal als 'Mr. Neubauer' angesprochen wurde - wahrscheinlich bei einem Telefonat mit der deutschen Botschaft ;-) Das wird eine Umstellung werden, die mir definitiv nicht gefallen wird.

Gefallen wird mir der Verkehr in D. Wie ich ja an dieser Stelle schon mal gepostet habe, sind die Durchschnitts-Kiwis nicht gerade begnadete Autofahrer. Und die meisten Asiaten noch weniger. Vorausschauendes Fahren ist hier gänzlich unbekannt, auf einer zweispurigen Straße stellt man sich halt auf der linken Spur an, wenn man in zwei Kilometern links abbiegen möchte. Das die rechte Spur komplett frei ist und man da einfach vorbeifahren kann, kapieren hier die meisten nicht. Lieber blockt man die rechte Spur und steht halt ein wenig länger im Stau... Und das man auf den drei Fahrbahnen auf dem Motorway, wo Tempo 100 erlaubt ist links mit 86, in der Mitte mit 85 und auf der rechten Spur mit 87 km/h fährt, versteht sich doch von selbst. Man ist ja schliesslich entspannt. Aaaaaah! Vielleicht bin ich ja in manchen Dingen doch noch nicht Kiwi genug...

Mit dem Gesundheitssystem hier, bei dem man sämtliche Arztbesuche, die nicht unfallbedingt sind, selber zahlen muss, hatte ich Glück, keine ernsthaften Vorkomnisse. Wenn ich alles aufaddiere, was ich in den letzten Jahren an Geld zu Ärzten/Zahnärzten getragen habe, bleibe ich ganz sicher unter dem Prozentsatz meines Einkommens, der mir in D automatisch abgezogen worden wäre. Aber, man wird ja auch älter und die Intervalle zwischen den Arztbesuchen verkürzen sich - von daher bergrüße ich es eigentlich, bald wieder im Schoße der Solidargemeinschaft ungeachtet meiner finaziellen Möglichkeiten zum Arzt meiner Wahl gehen zu können. Und die Praxisgebühr wurde ja auch grad abgeschafft, yeah!

Ansonsten hoffe ich, bald wieder in der Innenstadt einer deutschen Großstadt zu wohnen, wo das einzige Geräusch, das einen stören könnte der Verkehrslärm ist. Aber nicht Rasenmäher, Laubbläser, Häcksler und Kettensäge. Hier hat halt jeder seinen Garten ums Haus, und der will ja auch in Ordnung gehalten werden. So weit, so gut. Aber, da es hier ja weder eine deutsche 'Mittagsruhe' noch ein Verbot von lauten Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagen gibt, mäht/bläst/häckselt/sägt hier eigentlich immer gerade jemand. Das fällt mir jetzt erst so richtig auf, wo ich nicht mehr arbeite und viel zuhause bin. Witzig finde ich , dass der Kiwi beim Rasenmähen (es sind immer benzinbetriebene Rasenmäher, elektrische scheint es garnicht zu geben...) gerne Gehörschutz trägt - ungefähr 4 Meter vor meinem Fenster (einfachverglast,1,5 mm...), während es sich für uns in der Wohnung so anhört, als mähte er den Teppich in unserem Wohnzimmer. Wir laufen zuhause halt nicht mit Gehörschutz rum. Und wenn der Nachbar vorne fertig ist, fängt zehn Minuten später der hinterm Haus an. Wetten, dass?

Aber genug Negatives zu Neuseeland for now. Ich versuche bereits, mich auf ein Leben fernab von Strand und Meer einzustimmen, aber das will mir nicht so richtig gelingen. Die Vorstellung, in Zukunft 500 km fahren zu müssen, um irgendwo ans Meer zu kommen, anstatt einfach hier den Hügel runterzulaufen und das isses, find ich merkwürdig. Nein, eigentlich finde ich sie grundverkehrt. Sollte ich wirklich morgens auf dem Weg zur Arbeit nicht mehr Stachelrochen sehen sondern stattdessen Ratten auf U-Bahn-Gleisen? Oh je, es wird vieles so anders werden...

Trotzdem freue ich mich irgendwie, wir haben schliesslich unsere Freunde und Verwandten in Deutschland lange nicht gesehen. Irgendwie wird es sicher ähnlich spannend werden, wie bei unserem Umzug nach Auckland. Wir kenne zwar im Prinzip das Land und auch Frankfurt, wo wir ja höchstwahrscheinlich wieder wohnen werden, aber in den letzten fünf Jahren hat sich ja doch einiges verändert und es gilt, mal wieder alles neu zu entdecken...

1 Kommentar:

Enno hat gesagt…

Alles wird gut, Thomas... ;o)